Wie Tripidi mit chinesischen Touristen Geschäfte macht

Chinesische Touristen sind für deutsche Händler doppelt spannend: Erstens lassen sie bei ihren Reisen hier viel Geld, zweitens können sie zu Online-Bestandskunden werden. Der Duty-Free-Händler Tripidi hat daraus ein Geschäftsmodell entwickelt.

by Internet World Business

                                                                                                                                                                   

Chinesische Verbraucher sind nicht nur in ihrem Heimatland für deutsche Händler und Marken eine spannende Klientel. Auch in Deutschland kann man mit chinesischen Touristen extrem gute Geschäfte machen. Denn wenn sich jedes Jahr rund 130 Millionen Chinesen auf Urlaubsreisen begeben, ist das mengenmäßig in etwa so, als würden die Einwohner Deutschlands und Spaniens gemeinsam verreisen, rechnet Elena Gatti vor, die als Managing Partner DACH bei Azoya Händlermarken bei der Expansion nach China berät. Und: Jeder der chinesischen Touristen hat durchschnittlich rund 3.000 Euro für Shopping im Urlaub in der Reisekasse. Das macht 390 Milliarden Euro, die jährlich in Travel Retail fließen. Die gute Nachricht dabei: Deutschland ist unter den Top-Five-Destinationen der Chinesen und kann von dem riesigen Geldtopf überproportional viel profitieren.

Die lukrative Klientel hat der Frankfurter Duty-Free-Händler Tripidi schon längst für sich erkannt. In aktuell drei Läden in Frankfurt hat Geschäftsführerin Jennifer Noelle das Sortiment so zugeschnitten, dass es gezielt die asiatische Kundschaft anspricht. In den Regalen finden sich Kochzubehör von typisch deutschen oder europäischen Marken wie WMF oder Fissler, elegante Schreibwaren von Lamy oder Faber-Castell, Freizeitmesser von Victorinox oder Babypro­dukte von Hipp oder Aptamil. Flughafen-Passagiere können die Produkte nicht nur stationär kaufen, sondern sie unter Tripidi.com auch zur Abholung im Laden ­reservieren, online kaufen oder ihre Vor-Ort-Einkäufe weltweit nach Hause schicken lassen.

Kanalverknüpfung wird noch kaum genutzt

Die Strategie geht auf: "Wir erwirtschaften circa 80 Prozent des Umsatzes in den Frankfurter Stores mit chinesischen Passagieren", erzählt Tripidi-Geschäftsführerin Jennifer Noelle. Größtenteils sind das zwar noch Touristen, die der Zufall zu Tripidi geführt hat. Doch die Zahl der Kunden, die sich vorab informiert haben und dann beim Besuch der stationären Filiale ihr Smartphone mit der Tripidi-Homepage, dem Social-Media-Account oder der App des Flughafenbetreibers Fraport vorzeigen, in die Tripidi auch integriert ist, wächst. Elena Gatti von Azoy führt das ­darauf zurück, dass insbesondere die jüngere Generation aus großen Städten nicht mehr wie ihre Eltern in geführten Gruppen verreisen, sondern verstärkt auf Individualreisen setzen und sich vor ihrer ­Reise insbesondere in Social Media und auf Wechat informieren.

                       

Chinesische Zahlungsmittel sind für Händler wie Tripidi ein Muss

(Quelle: Tripidi)

Um die an hohe Servicelevels gewohnten chinesischen Verbraucher für sich zu gewinnen, bemüht sich Tripidi, technisch stets am Puls der Zeit zu bleiben. So führte der Händler bereits 2015 als erstes deutsches Unternehmen Alipay als Zahlungsmittel ein. Seit Anfang des Jahres können die Gäste aus China auch mit Wechat ­bezahlen. Auch hier war Tripidi einer der ersten deutschen Händler, der das Zahlungsmittel anbot.

Einführung von Wechat Pay

Während Noelle die Alipay-Integration noch in Eigenregie unternahm, ließ sie sich bei der Einführung von Wechat Pay von dem Payment-Dienstleister Wirecard unterstützen und entschied sich für den einfachsten Weg. Statt der komplexeren API-Lösung mit vollintegrierter Schnittstelle in die Kassensoftware des Händlers wählte Tripidi eine App-Variante, bei der die Händler sich letzten Endes nur eine App auf iOS oder Android herunterladen müssen. "Die Integration ist total einfach und kaum mit Kosten verbunden", freut sich Noelle. "Man braucht ein mobiles Endgerät, das es heute ja schon für kleines Geld gibt, und dann kann man sehr schnell und ohne große Investments loslegen. Die Kommunikation Richtung China nimmt einem Wirecard ab."

Weil Alipay das vertrautere Zahlungsmittel sei, würden derzeit noch mehr Kunden mit Alipay bezahlen als mit Wechat. Doch der Markt wandelt sich, wie Elena Gatti beobachtet: "In China hat Wechat Pay innerhalb von zwei Jahren 38 Prozent Markt­anteil am POS erobert", so die ­China-Expertin. Das liege daran, dass die Chinesen Wechat stets offen hätten. Wenn sie mit Alipay bezahlen, müssten sie eine neue App öffnen. Wechat Pay sei in dieser Hinsicht einfach bequemer. Allerdings, so warnt die Expertin, wäre es schade, wenn man Wechat Pay und Alipay nur als Zahlungs-Apps sieht. Wer dort einen Account habe, sollte etwas daraus machen.

Wie Kunden zu Fans werden

Das sieht Jennifer Noelle genauso. Neben den Kassen in den Stores liegen ­daher kleine Visitenkarten mit den Social-Media-­Accounts des Unternehmens. Das sei wenig sexy, funktioniere aber gut, sagt sie. Die Chinesen würden die Karten gern mitnehmen, um den Händler bei Fragen oder Problemen mit der Bedienung kontaktieren zu können. Zusammen mit Wirecard arbeitet Tripidi daran, dass Kunden, die mit Wechat Pay bezahlt haben, mit ­einem Klick Follower des Tripidi-Wechat-Accounts werden können. Auch wenn das in Deutschland noch nicht funktioniert: "Das ist natürlich ein Marketing-Traum für jeden Händler, dass jeder, der mit Wechat zahlt, grundsätzlich mit einem Klick Fan unseres offiziellen ­Accounts werden kann."

Patrick Wendling, Partner Manager Product Innovations bei Wirecard, rät ­allerdings bei einer Wechat-Präsenz zur Vorsicht: "Wir empfehlen nicht jedem Einzelhändler einen Account auf der Wechat-Social-Media-Plattform. Denn wie bei allen Social-Media-Accounts müssen diese mit Inhalten gepflegt werden. Alipay macht es gerade kleineren Händlern leichter. Hier kann man auch einfach nur ­verschiedene Kampagnen schalten und beispielsweise mit Rabattcodes werben", weiß der Payment-Profi.

Personal für Wechat-Account

Jennifer Noelle unterstreicht die These: Wer einen offiziellen Wechat-Account ­betreibe, müsse dafür Personal einplanen.  Bei Tripidi kümmert sich ein CR-Team aus Chinesinnen darum, regelmäßig Dinge zu posten, aber auch Kunden, die online einkaufen wollen, persönlich zu betreuen. Denn anders als die Deutschen kaufen Chinesen nicht eigenständig in den Online-Shops ein, sondern rufen maximal die Startseite auf und greifen dann zum Telefon. Anschließend legen die Tripidi-Mitarbeiter die Waren in den Einkaufskorb und die chinesischen Verbraucher übernehmen lediglich die Bezahlung. Selbst bei niedrigpreisigen Produkten können chinesische Kunden CR-Teams stundenlang vereinnahmen und mit Fragen bombardieren. Entsprechend wichtig ist auch eine sehr schnelle Reaktion bei Kundenanfragen in den sozialen Medien. Wer dies nicht leisten kann, riskiert verärgerte Kunden, die schlechte Bewertungen schreiben und auf allen Kanälen posten: "Hello, ­hello, where are you. I have a question."

Wie sehr sich chinesische Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen auf die Meinung anderer verlassen, zeigt auch das typische Einkaufsverhalten in den Läden. Entscheidet sich einer in der Gruppe für ein Topfset und einen Kugelschreiber, kaufen alle anderen genau dasselbe ein. Wer Chinesen als Kunden hat, sollte von seinen Produkten daher auch immer ­große Stückzahlen auf Lager haben.