Mobile Commerce in China: Was deutsche Einzelhändler lernen können oder kopieren sollten

In 2016 wurden bereits mehr als 50 Prozent aller E-Commerce Einkäufe über mobile Kanäle getätigt. Allerdings nicht in Deutschland, sondern in China. In der Bundesrepublik werden es in diesem Jahr wahrscheinlich etwa 20 Prozent werden. Verpassen wir in Deu...

by Azoya

Moderne Chinesen lieben ihr Mobiltelefon. Verständlich, denn es gibt (fast) nichts, das sie mit dem Handy, in der Regel ein Smartphone, nicht erledigen können – telefonieren spielt dabei fast schon ein untergeordnete Rolle. Sie chatten, teilen Momente aus dem Alltag mit Freunden und Familie, sie bestellen sich ihr Essen nach Hause, kaufen Lebensmittel, Kleidung oder Arzneimittel und sie bezahlen mit dem Handy. Und das sogar auf dem Wochenmarkt. Mobile Commerce (M-Commerce) ist in China Alltag.

Der Erfolg von M-Commerce in China liegt vor allem an der Kombination aus sehr fortschrittlichen digitalen Technologien und kulturellen Trends in der Gesellschaft. WeChat, die beliebteste App Chinas, hat allein 700 Millionen aktive Nutzer – das sind in etwa so viele Menschen wie in ganz Europa leben. Und für die Chinesen bedeutet WeChat das halbe Leben, denn die App erleichtert ihnen genau die oben beschriebenen Alltagsdinge: Sie kaufen über WeChat ein, sie bezahlen mit WeChat, sie unterhalten sich mit Freunden, telefonieren etc. Zwar wird der chinesische E-Commerce Markt wird nach wie vor durch den Marktgiganten Alibaba dominiert. Aber andere Händler – sowohl einheimische als auch internationale – kämpfen immer erfolgreicher um Marktanteile. Dazu öffnen sie neue Kanäle und mobile Produkte, die flexibel und vor allem agil sind. Die Folge ist ein boomender M-Commerce-Markt.

Der Aufstieg von Mobile, Unterschied zu Deutschland

E-Commerce ist noch relativ neu in China. Das bedeutet, dass es keinen wirklich traditionellen E-Commerce via PC gibt, so wie wir es aus Deutschland kennen. Zudem ist die Bevölkerung in China durchschnittlich jünger und offener für neueste Technologien. Statistische Erhebungen zeigen, dass die Hälfte der chinesischen mobilen Käufer zwischen 24 und 30 Jahre alt sind. Vor allem in ländlichen Gebieten, in denen der stationäre Einzelhandel sehr unterentwickelt ist, ist Online-Shopping die einzige Möglichkeit, besonders beim Kauf nicht-chinesischer Produkte.

Und noch ein weiterer Faktor begünstigt den M-Commerce: Smartphones werden immer billiger. Mittlerweile sind mehr als 90 Prozent aller Telefonkäufe heute Smartphones und China ist damit der weltweit größte Smartphone-Markt. Was die chinesischen Verbraucher an mobilem Shopping so lieben? Es ist komfortabel. Mit ihrem Smartphone können sie jederzeit und überall einkaufen. Besonders auf dem Weg von und zur Arbeit wird gern geshoppt – ein sehr beliebter und praktischer Zeitvertreib für Pendler. Weitere wichtige Faktoren sind staatliche Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur und die breite Verfügbarkeit von 4G. Der große Unterschied zu Deutschland: Während deutsche Verbraucher Schritt für Schritt die Transformation von stationär über multi-channel zu mobile durchleben, haben viele chinesische Verbraucher die Stufe “multi-channel” einfach übersprungen und sind direkt von offline zu mobile gewechselt.

WeChat ist das halbe Leben

Die technologische Entwicklung auf der einen Seite und die Nachfrage der Verbraucher auf der anderen Seite haben eine solide Basis für Chinas M-Commerce-Erfolg geschafffen. Der eigentliche Erfolgsfaktor war allerdings eine App namens WeChat. Im Jahr 2011 von der chinesischen Investmentgesellschaft Tencent gestartet, hat sich WeChat schnell zu einem allumfassenden Browser für mobile Websites entwickelt. Einzelhändler aus allen Branchen – von Banken über Modemarken bis hin zu Apotheken – machen die App zur Heimat ihrer offiziellen Online-Shops. Sogar Dior hat vor kurzem als erste Luxusmarke einen Account eröffnet, um Handtaschen auf WeChat zu verkaufen.

Die Zahlen sind überwältigend: 94 Prozent der Nutzer melden sich täglich bei WeChat an, wobei 61 Prozent mehr als 10 Mal am Tag und 36 Prozent sogar mehr als 30 Mal angemeldet sind. WeChat ist eines der wichtigen Multichannel-Portale für Unternehmen in China, das von in-und ausländischen Einzelhändlern genutzt wird. Bei einer so einflusreichen Plattform ist der beste Ansatz für Einzelhändler, sich an diese anzupassen und maßgeschneiderte Marketing- und Social Media-Kampagnen zu implementieren. Während Social Media Kanäle in Deutschland den Nutzern in der Regel nur das Liken, Kommentieren oder Teilen von Posts erlauben, bietet WeChat viel interaktivere Möglichkeiten. Interaktion ist alles. So bieten viele Einzelhändler ihren Kunden Spiele an, bei denen Sie Coupons gewinnen können. Wenn sie dann ihre Freunde zum Spiel einladen, erhalten sie weitere Gewinne.

QR-Codes – Ihrer Zeit weit voraus?

Auch wenn es um die sinnvolle Nutzung von QR Codes geht, ist China dem Rest der Welt weit voraus. Während sie in Deutschland nur vereinzelt genutzt werden und sich nie komplett im Alltag etabliert haben, sind QR-Codes aus dem E-Commerce Alltag in China nicht wegzudenken. Sie werden von Luxusanbietern gleichermaßen genutzt wie von Strassenhändlern. Denn Einzelhändler in China haben es geschafft, online und offline Kanäle erfolgreich miteinander zu verknüpfen – und zwar mit der Einbindung von QR-Codes. Wie das funktioniert? Ein Kunde scannt offline einen QR-Code, z.B. auf Werbe-Flyern, Produkt-Etiketten, Produktverpackungen, Aufstellern in Schaufenstern oder auch Quittungen, und die Informationen des Anbieters – in der Regel ein Online-Shop – werden auf seinem Handy gespeichert. Ist die Information des Shops erst mal digital auf seinem Handy gespeichert, kann er weiterhin in diesem Shop einkaufen und seine Erfahrungen oder Produkte, die er gekauft hat, über Social Media teilen und empfehlen. Und er kann die Einkäufe auch über einen QR-Code bezahlen.

Die deutsche Online-Apotheke “Bodyguard Apotheke” hat in einer aktuellen Kampagne Postkarten mit einem speziellen Angebot verteilt. Sobald der Kunde das Angebot via QR-Code von der Postkarte gescannt hat und in WeChat Fan des Shops geworden ist, kann er das Angebot beim Einkauf nutzen. QR-Codes bieten eine einfache und effektive Art, offline Traffic auf seinen WeChat Shop und damit online zu lenken. Bodyguard Apotheke hat im Rahmen der Kampagne seinen Gesamtumsatz um rund 20 Prozent steigern können, und das mit einem Durchschnittswarenkorbwert von etwa 100 Euro. Besonders in China funktioniert diese Art von Werbeaktion sehr gut, denn Chinesesn kaufen oft nur das ein, was ihnen Freunde oder Bekannte über Social Media empfehlen.

Bezahlen? Direkt über WeChat

Letztendlich war es die Zahlungsfunktion auf WeChat, die den mobilen Handel revolutioniert hat. Kunden erstellen eine „Brieftasche“ durch die Verknüpfung mit einer Bank oder Kreditkarte und können dann mit allen offiziellen WeChat-Anwendungen mobil einkaufen. Dieses Zahlungssystem wurde von der chinesischen Volksbank begünstigt, da diese seit Juni 2010 über 200 Lizenzen an Nicht-Finanzinstitute ausgestellt hat, um sogenannte Drittanbieter-Zahlungsdienste zu ermöglichen. Gleichzeitig hat sie einen nationalen Mobilfunk-Zahlungsstandard deklariert. Dies hat zu einem explosionsartigen Wachstum in der chinesischen Mobile-Payment-Branche geführt.

Rund 364 Millionen Menschen kaufen heute in China über ihr Handy ein, das ist ein Wachstum von fast 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut aktueller Prognosen wird mobile Zahlung im Jahr 2018 bereits drei Viertel aller Online-Einzelhandelstransaktionen ausmachen. Was können deutsche Einzelhändler aus dem Erfolg des M-Commerce in China lernen – oder vielleicht sogar kopieren? Ich sehe vier Schlüsselthemen:

  1. Eine benutzerfreundliche Mobilversion von Online-Shops ist heute bereits zwingend erforderlich. Für eine erfolgreiche App werden allerdings noch mehr Funktionalitäten und vor allem Engagement seitens des Kunden und Interaktion mit dem Kunden gefragt. Mithilfe von Apps können Sie das Shopping-Erlebnis für Ihre Kunden noch einfacher und persönlicher gestalten und den Weg zum Kauf verkürzen.
  2. Vereinfachen Sie mobile Zahlungsmethoden – diese müssen bequem sein. Bieten Sie sofortige Belohnungen, Angebote und standort-basierte Nachrichten.
  3. Social Media und mobile Marketing-Strategien müssen dynamisch und interaktiv sein. Es mag kein deutsches Äquivalent zu WeChat geben, das eine nahtlose Integration unter einem virtuellen Dach anbietet, aber es gibt durchaus alternative Lösungen. Facebooks “Shop Now”, Pinterests “Buy it’” Pins und Instagrams “Click-to-Buy” Funktionalität können ebenso effektive Werkzeuge für Social-Shopping sein.
  4. Und geben Sie QR-Codes eine zweiter Chance. In China hat der bewusste Einsatz von QR-Codes seitens des Einzelhandels dazu geführt, dass diese sich in der Gesellschaft durchgesetzt haben.

Mein Tipp: Schauen Sie auch mal nach Fernost und lassen Sie sich inspirieren. Das ein oder andere Learning können wir mit Sicherheit aus China für unsere Zukunft im M–Commerce nutzen.