So lockt Alibaba nach China

Der chinesische Online-Riese Alibaba gibt sich mächtig Mühe, um ausländischen Anbietern den Markteintritt zu erleichtern. Das wissen immer mehr Marken und Händler zu schätzen.

by Azoya

Dem Lockruf folgen immer mehr deutsche Anbieter. Die Drogeriekette dm will beispielweise über den Online-Marktplatz Tmall des Online-Riesen Alibaba das Geschäft mit den chinesischen Kunden selbst in die Hand nehmen. Verhandlungen laufen. Bislang können Zwischen- händler auf dem Online-Marktplatz Eigenmarken-Artikel von dm ungestört verkaufen.

Ohnehin will Alibaba mehr deutsche Produkte verkaufen und hiesigen Händlern den Einstieg in den boomenden chine- sischen Markt erleichtern. Gefragt seien vor allem Produkte für die Versorgung der Familie wie H-Milch und Babynah- rung, sagte Deutschland-Chef Terry von Bibra der Deutschen Presse-Agentur. Erfolgreich im Angebot seien aber auch Babynahrung, Haushaltsprodukte, Elektronikgeräte, Beauty- und P egemittel sowie Gesundheits- und Nahrungsergän- zungsmittel.

Die Chancen stehen gut. Bereits 2020 soll laut Studien ein Viertel der chinesischen Bevölkerung ausländische Produkte digital einkaufen. Derzeit sind es rund 15 Prozent. Das Volu- men: 85 Milliarden Dollar.

Umlernen müssen Händler in China beispielsweise allerdings in Sachen Marketing. Die chinesischen Verbraucher miss- trauen Werbe- und Nachrichtenquellen. Wichtiger sind dort Empfehlungen von Online-Produkttestern und die sozialen Netzwerke. Und: womöglich mehr noch als deutsche Kunden lieben Chinesen das Gefühl, ein Schnäppchen zu machen. Auch in Sachen Mobile sollte man seine Hausaufgaben bereits beherrschen. China gehört zu den Vorreitern bei der mobilen Nutzung.

Gut zu wissen: Der größte Markt ist TMall mit rund 60 Pro- zent Marktanteil, Nummer 2 ist JD Mall. Mit den Plattformen TMall Global und JD Worldwide bieten beide Anbieter Prä- senzen für globale Marken: Beide Plattformen kassieren eine Umsatzbeteiligung.

Für viele deutsche Anbieter ist Alibaba denn auch die erste Adresse. Westliche Online-Händler, die in China Geschäfte machen wollen, müssen sich sonst nämlich mit den tücki- schen Klippen der chinesischen Bürokratie auseinanderset- zen. Das überfordert gerade Mittelständler. Selbst die Nut- zung von Alibaba verlangt einiges an Vorarbeit und Vorwissen. Daher richtert sich der Marktplatz Tmall Classic an Unter- nehmen, die bereits in China verkaufen. Diese haben eine Verkaufslizenz, Läden und ein Team vor Ort. Tmall Global ist dagegen für Produkte, die ausdrücklich grenzüberschreitend verkauft werden. Sie sind also noch nicht in China zugelassen und haben wahrscheinlich noch kein Team vor Ort. Einige Marken verkaufen auf Tmall Classic und zeigen auf Tmall Global ein paar Produkte und Segmente, die sie gerne auspro- bieren wollen, ohne sich die Arbeit zu machen, die nötig ist, um die Produkte direkt in China zu verkaufen.

Chinas Online-Riese will ausländische Marken und Händler deshalb nun mit dem Programm AliLaunch noch besser durch die Wirren des chinesischen Marktes führen.
Alibaba gibt schon jetzt reichlich Hilfe. Terry von Bibra: „Mar- ken müssen sich die richtige Third-Party-Agentur suchen. Und da wir ein unabhängiger Marktplatz sind, geben wir nicht vor, welchen Partner man nehmen muss. Wir machen nur Vorschläge. Wir verbinden die beiden Firmen mit uns und stehen ihnen anschließend höchstens beratend zur Verfügung. Unsere Kollegen prüfen dann, ob die Marke gefragt ist und es Feedback-Daten von den Konsumenten gibt. Wenn die die Marke häu g gesucht wird, dann reden wir mit den Agenturen und unseren Logistikpartnern in China, um zu entscheiden, wie die Logistik funktionieren muss. Wenn die Marke noch unbekannt ist, dann empfehlen wir, eine Marketing-Agentur vor Ort zu engagieren, um zu klären, wie man die Marke posi- tionieren sollte.“

Trotzdem kann es sinnvoll sein, weitere lokalen Experten oder lokale Dienstleister wie Azoya International zu nutzen, um kulturelle, technologische, gesetzliche, politische und behörd- liche Eigenheiten zu meistern.

Wie vertrackt es in China zugeht, zeigt beispielsweise der Logistikprozess. mUdo Günzel, E-Commerce Experte und Mitglied im Advisory Board von Azoya International: „Es be- stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Direct Shipping und Free-Trade-Zone. Bei Direct Shipping werden die einzelnen Pakete in Deutschland verpackt und in konsolidierter Menge nach China gesendet. Bei Free-Trade-Zone wäre es praktisch, wenn der Händler große Palettensendungen machen könnte, die vor Ort vorgelagert und auf Bestellungen dann gepackt und distribuiert werden. Dafür gibt es eine Einrichtung, die das von der Regierungsseite her erlaubt. Es ist möglich, in bestimmten Freihandelszonen, die sich in der Regel in der Nähe von Flughäfen oder Häfen be nden, Waren in großen Mengen zu lagern und von dort packen und liefern zu lassen. Wichtig dabei: Nicht jedes Produkt darf so vertrieben werden und es gelten andere Zollsätze, die durch Lagerung in Freihandelszonen und Versand von dort entstehen und bei bestimmte Kategorien höher sind, als wenn ich einzelne Pakete von Deutschland aus versende. Bei Direct Shipping ist der Luftfrachtweg zwingend erforderlich, da der chinesische Konsument innerhalb von 7 bis14 Tagen seine Ware haben will. Im Übrigen ist diese Lieferzeit aktuell der Status Quo, denn ich habe drei Strecken zu bewältigen. Vom Händler zum Luftfrachtzentrum, von dort per Luftfracht nach China und in China die Verteilung an den Endkunden. Die ersten beiden Strecken sind nicht das Thema und innerhalb von 3 bis 5 Ta- gen absolviert. Auch die Verteilung in China ist relativ schnell zu erledigen, da es eine sehr gut ausgebaute Kurierdienst- Infrastruktur gibt. Da es allerdings für den Versand von B2C Paketen auf beiden Seiten noch keinen optimalen Prozess gibt, kann es bei der Verzollung zum Teil zu Verzögerungen kommen. Im Durchschnitt sind alle Gegenden in China inner- halb von 14 Tagen zu erreichen.“

TMall: 60 Prozent Marktanteil in China

Auch beim Payment ist es nicht ganz so leicht.

Statt PayPal, Mastercard und Co nutzen die Chinesen Dienste wie Alipay, Unionpay und Tenpay. „Wenn ich also in China verkaufen will, muss ich auch dafür Sorge tragen, dass die in China gewohnten Zahlungsarten in meinem Onlineshop an- geboten werden. Dafür brauche ich entweder eigene Verträge mit den Dienstleistern, die nicht einfach zu bekommen sind oder ich nde einen Drittanbieter, der in meinem Auftrag die Zahlungen der genannten Dienstleister abwickelt. Der zweite wichtige Punkt ist, dass ich meine Produkte in der Landes- währung verkaufe und damit Yuan einnehme. Diese Währung muss in Euro an mich nach Deutschland geliefert werden.

Für diesen Währungstransfer muss ich einiges an Kosten einplanen. Ein Punkt an dem heute noch viele Unternehmen scheitern,“ mahnt Günzel.

Trotzdem lockt China. Weil die Chinesen deutsche Produkte lieben: Ob es Rheingau-Wein ist oder ein Dirndl zum Okto- berfest: Hier sind gute Margen möglich. Allerdings sind diese längst nicht mehr so gewaltig, wie vor einigen Jahren. Auch die Chinesen haben gelernt, international Preise zu verglei- chen – und shoppen gerne, und immer öfter, bei Amazon.